archivierte Ausgabe 3/2017 |
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Die Schriftleitung |
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Wort an die Leser |
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Glaubensmomente: So heißt eine kürzlich erschienene Anthologie von Hanns-Josef Ortheil (München: btb 2016). In ihr sammelt und kommentiert der Schriftsteller Passagen aus seinen autobiographisch geprägten literarischen Werken, die ebenso eindrücklich wie unprätentiös Erfahrungen mit der Welt von Kirche und Religion widerspiegeln. Sie haben das Leben des Verfassers offenkundig von Kindheit an untergründig, aber nachhaltig beeinflusst. In ihrer Schilderung wird deutlich, wie sehr es beim Glauben um situativ geprägte, oft flüchtig-fragile Momente geht. Zugänglich werden diese nicht primär durch distanzierte rationale Überlegung; sie sind eingebettet in leibhaftiges Erleben: In Ortheils Skizzen wird immer wieder die Atmosphäre von Orten und Begegnungen, Ritualen und Bildern spürbar. Vieles wird man aus der eigenen Lebenserfahrung ähnlich kennen: etwa die eigentümliche Stimmung bestimmter Kirchenräume, die nicht nur durch ihre Architektur geprägt wird, sondern etwa auch durch die in ihnen wahrgenommenen Klänge, Düfte, Tageszeiten. Solche Glaubensmomente sind untrennbar von der eigenen Lebensgeschichte, und sie werden uns oft erst aus der Rückschau bewusst. Sie bauen mit an einem Lebensfundament, das, um tragfähig zu bleiben, auch des Wandels bedarf und der kritischen Anfrage ausgesetzt bleibt. Ortheil ermutigt die Leser und Leserinnen seines Bändchens, »nach ebensolchen Momenten in ihrem eigenen Leben zu fragen«.
Dient die kirchliche Verkündigung der Sensibilisierung für solche Glaubensmomente? Ortheils Kindheitserinnerung könnte da eher skeptisch stimmen, wenn er aus dem Hochamt im geliebten Kölner Dom berichtet: »Die einzige Störung des Gottesdiensts, die jedes Mal nur schwer zu ertragen war, war die Predigt. … Die Predigt störte mich nicht deshalb, weil ich nicht alles verstand, sondern vor allem, weil überhaupt so lange geredet und alles erklärt wurde. … Nach der Predigt musste man erst wieder in den Gottesdienst hineinfinden.« Bestimmt geht es auch anders, und die Predigt muss nicht als Störfaktor oder Fremdkörper erlebt werden, sondern sie kann Hilfe sein, um für die Erfahrung letztlich unverfügbarer Glaubensmomente empfänglich zu sein. Das setzt freilich situatives und lebensgeschichtliches Gespür voraus, damit sich Aufmerksamkeit entfalten kann für eine reiche, vielgestaltige Tradition, die mit den Texten der Heiligen Schrift und den Riten der Liturgie neu im Heute »ankommen« soll.
Besonders verdichtet mag die Vielfalt möglicher Glaubensmomente übrigens wohl immer wieder zu erfahren sein in der Feier der Österlichen Tage mit ihren so unterschiedlichen Gottesdienst-Atmosphären. In diesem Sinne eine gesegnete Osterzeit!
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Martin Rohner |
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