archivierte Ausgabe 1/2018 |
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Die Schriftleitung |
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Leseprobe 1 |
Weihnachten – Hochfest der Geburt des Herrn |
I. In der Heiligen Nacht: Nur ein Kind (thematisch) |
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Statio I. Sind Sie beschenkt worden? Bei der Weihnachtsbescherung, gestern Abend oder heute früh? Im vergangenen Jahr mit seinen Begegnungen und Entdeckungen? Oder weiter noch: Womit sind Sie in ihrem Leben beschenkt worden? Selbst wenn Sie sich vieles erarbeiten, erkämpfen oder absparen mussten, mag das Weihnachtsfest das Vertrauen stärken, dass unser Leben ein Geschenk ist. Lassen Sie uns Gottes Großherzigkeit in diesem Festtagsgottesdienst feiern und stimmen wir mit dem Glorialied ein in den Lobpreis seiner Güte: dass uns gratis seine »Güte und Menschenliebe« erschienen ist (vgl. Tit 3,4–5). Siegfried Kleymann
II. Die Symbolik des Lichtes ist seit jeher für das Weihnachtsfest wichtig. Sie ist zugleich ein zentrales biblisches Bild für die Person Jesu. Er ist, so sagt der Prolog des Johannesevangeliums, das wahre Licht, das alle Menschen erleuchtet (vgl. Joh 1,9). In der Erzählung von der Geburt Jesu erscheint es als Engel, der den Hirten auf dem Feld die Botschaft der Geburt des Erlösers bringt, und als Stern, der den Sterndeutern den Weg weist. Die frühe Kirche setzte den Geburtstag Jesu auf den 25. Dezember fest, auf das Datum für das Fest des römischen Sonnengottes, des sol invictus. Sie macht damit auch uns deutlich: Christus ist das wahre Licht. Er ist die unbesiegte Sonne, die alle Dunkelheit der Welt erhellt. Peter Seul
Gott: überall und nirgends
Der Philosoph Richard Schaeffler berichtete von seinem Neffen, der Physik studiert, und ihn eines Tages mit der Aussage konfrontierte: »Man kann die ganze Theologie rauf und runter studieren: There is no God.« Worauf sein Onkel, der Philosoph, antwortete: »Ich bin gestern im Theater gewesen und habe den Faust gesehen und war das ganze Stück lang aufmerksam: There is no Goethe.«
Bei dieser Aufführung ist Goethe überall und doch nirgends. Das ist typisch Goethe, das ist sein Stil, das ist seine Handschrift, obwohl er nicht ein einziges Mal die Bühne betritt und die Zuschauer auch kein Programmheft in der Hand haben.
Nur ein Kind – nur?
Ich finde, dass unsere Situation nicht nur an Weihnachten ähnlich ist. Gott betritt nicht ein einziges Mal direkt die Bühne. »There is only a child«! Da ist nur ein Kind. So etwas wird natürlich kein Vater sagen, wenn er gerade Vater geworden ist. Ein Kind, das lockt den Eltern den Glanz in die Augen, selbst bei fremden Kindern ist das so. Beim eigenen Kind sind die Eltern ja Schöpfer, nehmen an der Schöpfung teil, sind die Interpreten der schöpferischen Liebe Gottes. Indem der Mensch zur Welt kommt, wird klar, dass er von woanders her kommt und dorthin wieder zurückstrebt. Kinder zeigen uns unseren Weg. Wir können sagen, dass Herkunft und Ziel des Menschen einer Parabel ähneln wie in der Mathematik. Er kommt aus dem Unendlichen und führt wieder ins Unendliche zurück. Dazwischen liegen die Etappen des Menschen. Unser Leben findet seinen Sinn gerade darin, ganz geboren zu werden.
Neues soll geboren werden, in dir
Die Tragödie unseres Lebens ist es, dass die meisten Menschen sterben, bevor sie ganz geboren sind, bevor sie alles haben wachsen lassen. Was hätte wachsen können! Was ist im einzelnen Menschen alles angelegt! Unsere Lebenswirklichkeit ist ein ständiger Geburtsprozess, eine wechselseitige Entbindung, eine Freigabe. Zu allen Kreaturen gehört dieses ständige Neuwerden, dieses Geborenwerden, diese Lebendigkeit und Kreativität. Gott kann nichts anderes als gebären. Das ist in keinem so deutlich geworden wie in dem Kind von Betlehem. Und so stehen wir nun vor dem Kind in der Felsenhöhle von Betlehem, stehen vor einem Gott, der uns sagt: In diesem Kind kommt Gottes ganzes Wesen zum Ausdruck. Gott kann nichts als Gebären. Was wurde in unserem Leben geboren und was habe ich an Entbindungen zugelassen? So stehen wir an der Krippe mit dem Geborenen und Ungeborenen in uns und sagen dem Kind: So bin ich da. Das Kind in der Felsenhöhle von Betlehem macht zugleich deutlich: Ich sehe, was in dir geboren worden ist, und ich mache dir Mut, Neues in Dir geboren werden zu lassen. Das Bild vom gebärenden Gott, beziehungsweise dem einzig geborenen Sohn, zeigt die wunderbare Innenseite unserer Schöpfung. Dass diese Geburt in mir geschehe, darin liegt alles. It’s only a child! Es ist nur ein Kind!
Die Handschrift der Hoffnung und des Friedens Obwohl es nur ein Kind ist, wissen wir aus dem Glauben, dass mit diesem Kind die endgültige Hoffnung begann, Hoffnung trotz alles kriegerischen Elends, aller Ungerechtigkeit und aller Gewalt. Dieses Kind ist das Glied einer noch fehlenden intimen Verbindung des Menschen mit Gott. Der Mensch ist von diesem Kind unwiderruflich angenommen und damit von Gott. Gott wurde Mensch, damit der Mensch vergöttlicht würde. Trotz allem ist dieses Kind in seiner Wehrlosigkeit bis ans Kreuz jene eindeutig erkennbare Handschrift der Hoffnung und des Friedens Gottes. Der Evangelist Lukas setzt dieses Kind in Parallele zu dem mächtigsten Mann jener Zeit, dem römischen Kaiser Augustus. Einzig ein kleiner Knabe kann den Frieden aus der Höhe bringen. Das spüren wir in Zeiten großer Konflikte ganz besonders. Mit jedem Menschen fängt der Geburtsvorgang erneut an, Bindung oder Entbindung vom Frieden. Dem selbstgemachten Frieden, den Menschen immer wieder verspielen, steht der Friede des Kindes aus der Höhe gegenüber. Der Friede von oben ist anders. Es ist ›nur‹ der Friede eines Kindes. It’s only a child, und doch hängt alles von diesem Kind ab.
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Udo Tielking |
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