archivierte Ausgabe 3/2021 |
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Die Schriftleitung |
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Leseprobe 1 |
4. Sonntag der Osterzeit – 25. April 2021 |
III. Lesepredigt: Kein anderer Name (Apg 4,8–12) |
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Gewiss, die Heilige Schrift ist ein Zumutungsbuch. Sie ist nicht dazu gemacht, um unsere Weltsicht zu bestätigen, sondern um uns zur Umkehr zu bewegen. Sie will uns herausfordern, in Frage stellen, will uns Neues über uns und unsere Wirklichkeit sagen. Und gewiss, die Heilige Schrift bietet uns hierzu Geschichten mit Geschichte an. Die vielen Bücher, Briefe und all die unterschiedlichen Texte und Erzählungen in ihnen stehen nicht im luftleeren Raum, sondern tragen allesamt eine lange und sehr vielgestaltige Wirkungsgeschichte mit sich, die auch unser Textverständnis heute nicht unberührt lässt. Wie wir heute einen biblischen Text verstehen, hängt auch damit zusammen, wie andere vor uns ihn ausgelegt und umgesetzt haben. Manchmal nun trägt genau diese Textgeschichte mit dazu bei, dass der betreffende Text erst so richtig zur Zumutung für uns wird.
Mit dem heutigen Lesungstext aus der Apostelgeschichte verhält es sich so. In »keinem anderen« als in diesem Jesus Christus aus Nazaret, dem Nazoräer also, »ist das Heil zu finden«. So lautet der Kernsatz der Perikope. Denn, so heißt es dann weiter, »es ist uns Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, durch den wir gerettet werden sollen« (Apg 4,12). Diese Sätze reihen sich in eine lange Geschichte des christlichen Heilsexklusivismus ein, der das Heil ausschließlich – eben exklusiv – an die Zugehörigkeit zur römischen Papstkirche binden wollte. Der Gedanke dahinter: Nur diese Kirche ist der Leib Christi. Nur in ihr ist die Frucht des Erlösungswerkes Jesu Christi vollumfänglich präsent. Nur sie kann also die Menschen in Kontakt mit Jesus Christus bringen, in dem allein die Rettung aller Menschen aller Zeiten liegt. Die Konsequenzen insbesondere für die indigenen Völker der neuentdeckten Kontinente waren zum Teil fürchterlich, weil die Kolonialherren diese Theologie nutzten, um neben der Taufe mit Feuer und Schwert zugleich ihre Unterdrückungs- und Ausbeutungsregime zu installieren. Der christliche Heilsexklusivismus wurde zum politisch-praktischen Imperialismus.
Wie gehen wir mit diesen Sätzen aus der heutigen Lesung und ihrer Geschichte um? Einfach still beiseitelegen? Diese Sätze also aus unserer Zeit herausnehmen und in ihrer Zeit belassen, der Zeit nämlich der frühkirchlichen Missionsbewegung einer marginalisierten jüdischen Splittergruppe, von ihrer Umwelt aufgrund ihres Glaubens an diesen Nazoräer Christen genannt? Wohl kaum. Wir dürfen uns weder vor diesen Sätzen noch vor ihrer Macht- und Missbrauchsgeschichte drücken. Also sollen wir sie negieren, ihnen widersprechen? Soll doch ein jeder, eine jede nach seiner und ihrer Fasson glücklich werden! Egal, was du glaubst, Hauptsache ist doch, du bist ein guter Mensch! – Negieren nicht, aber interpretieren schon – und damit auch in gewisser Weise relativieren, sie in ihrer bleibenden Sperrigkeit deutend in das größere Ganze des Verstehens einordnen. Denn in der Tat bietet uns ja – um nur ein Beispiel zu nennen – die große Parabel am Ende des Matthäusevangeliums gerade diese Perspektive: »Was ihr den Geringsten getan habt, das habt ihr mir getan.« Es kommt nicht auf die Hochleistungsasketen und die Superfrommen an, sondern auf die Täterinnen und Täter des Guten. Es gibt eine Vielzahl an Stellen in der Heiligen Schrift, die deutlich werden lassen, dass Gott alle Menschen in sein Heil einschließen will. Am eindrücklichsten ist hier vielleicht ein Satz aus dem ersten Timotheus-Brief: Gott will, »dass alle Menschen gerettet werden« (1 Tim 2,4) – und, so dürfen wir getrost ergänzen, er wäre nicht Gott, wenn er nicht Mittel und Wege finden würde, diesen seinen universalen Heilswillen auch zugunsten aller Menschen aller Zeiten und Kontinente konkret werden zu lassen.
So zieht sich durch die gesamte Kirchengeschichte neben der Tradition des Exklusivismus noch eine zweite, subversive Unterströmung, die alle Menschen – ob Christen oder nicht – betend, hoffend und glaubend mit hinein nimmt in das Heil, das Gott der Welt bereiten will. Selbst der in diesen Dingen gewiss nicht zimperliche Augustinus denkt die Kirche weiter als die faktische Taufzugehörigkeit. Zur Kirche, so sagt er, gehören in gewisser Weise auch all die unzähligen Gerechten, die vor Christus gelebt haben: eine Kirche von Abel, dem ersten Gerechten, an (»ecclesia ab Abel«).
Vor allem das Zweite Vatikanische Konzil hat diesen Satz vom universalen Heilswillen Gottes über alles andere gestellt: Gott will, dass alle Menschen gerettet werden. So deuten die Konzilsväter Passagen wie die unserer Lesung nicht exklusivistisch und auf die Kirche enggeführt, die römische zumal, sondern weiten gerade umgekehrt den Blick von dieser Christuszentriertheit hin auf die ganze Schöpfung. Alle Menschen sind in diese weltumspannende Christusbezogenheit mit hineingenommen, und die Kirche ist nicht die exklusive Gnadenzuteilerin, sondern sie soll für alle Menschen Zeichen und Werkzeug dieses (vorgängigen, immer schon gegebenen!) Hineingenommenseins der Welt in Christus sein: universales Sakrament des Heils. Welche Zusage, welche Herausforderung, welche Beschämung auch angesichts des desolaten faktischen Zustands unserer Kirche heute! So schärft das Konzil einerseits den Katholikinnen und Katholiken durchaus die Ernsthaftigkeit der Taufe und ihres damit verbundenen Sendungsauftrags ein, betont aber andererseits nicht minder ernsthaft, dass Gottes guter Geist es vermag, seinem Ratschluss entsprechend alle Menschen mit in dieses österliche Geheimnis seines Sohnes hineinzunehmen (vgl. GS 22).
Mit anderen Worten: Die Christuszentriertheit, die aus unserer Lesung spricht, ist eine inklusive, hoffnungsgeladene, herzensoffene, weltumspannende. Sie will uns erinnern an den innersten Glutkern unserer Identität in Christus und uns zugleich mahnen, uns dabei nicht abzukapseln, sondern Augen, Herzen und Hände weit zu öffnen. Denn auch das sollten wir nicht vergessen: Vor unserem sperrigen Kernsatz über die Einzigkeit Jesu Christi steht jener Satz, der das Warum und Wozu des Gekommenseins dieses so seltsamen, ohnmächtigmächtigen Kreuzes-Messias ins Wort bringt: zu heilen die Kranken und Gebrochenen, aufzurichten die Geknickten, groß werden zu lassen die Kleinen und zu kräftigen die Schwachen.
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Matthias Reményi |
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