archivierte Ausgabe 3/2022 |
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Die Schriftleitung |
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Leseprobe 1 |
Palmsonntag |
II. Auf dem Weg (Lk 19,28–40) |
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Jesus ist ein Mann des Weges Auf der Straße geschieht es. Oft. Das Entscheidende. Manche musikalische Berühmtheit hat an der Ecke mit dem Gitarrenkoffer ihren Anfang gehabt. Manche Demonstration mit handgemalten Plakaten hat zu gesellschaftlichen Umbrüchen geführt. Eigentlich jede Revolution hat dort ihren Höhepunkt. Aber auch manche Freundschaft entsteht aus einer zufälligen Begegnung nach einem Lächeln auf der Straße. Jesus war auch ein Mann, der wusste, dass Geschichte auf der Straße geschrieben wird.
Viel los auf der Straße nach Jerusalem Viel tut sich im heutigen Evangelium auf den Straßen vor der Stadt Jerusalem an den Tagen vor dem Pessachfest, dem großen Wallfahrtsfest. Jesus und seine Jünger nähern sich zusammen mit vielen anderen Jerusalem. Schon lange gehen sie gemeinsam auf Wegen zum Reich Gottes – in aller Öffentlichkeit. Von Galiläa aus bis nach Judäa und nun hinauf nach Jerusalem. Was haben sie auf der Straße nicht alles erlebt? Welche Erinnerungen, welche Spuren aus der Vergangenheit haben sie unterwegs mitgenommen? Bestimmt erinnern sie sich an die vielen Begegnungen dieses Jesus mit Menschen aller Art, in denen sie spürten: Das Reich Gottes ist nahe; die Heilungsgeschichten, die zeigen, wie Leben neue Gesichter bekommt, die einen Neuanfang ermöglichen; die Predigten, die Jesus gehalten hat mit Worten, die sich eingebrannt haben. Und bestimmt auch viele persönliche Momente, die sie ganz individuell mit Jesus von Nazaret verbinden. Sie denken an ihren Jesusweg.
Jesus geht Wege mit den Menschen Jesus geht Wege – wörtlich, ja geographisch. Aber Jesus geht Wege auch im übertragenen Sinne. Er wartet nicht, bis andere zu ihm kommen, sondern spricht sie an – die Jünger bei der Berufung, Zachäus auf dem Baum, die Ausgestoßenen am Straßenrand. Jesus stellt sich den Begegnungen, die im Leben geschehen, wie im Gespräch mit Nikodemus bei Nacht oder bei der Auferweckung des Lazarus. Jesus interessiert sich für das Leben der anderen, wie beim Zöllner Zachäus oder bei der Ehebrecherin. Jesus erzählt Weggeschichten, wie das Gleichnis vom barmherzigen Vater oder das Gleichnis vom armen Mann und von Lazarus. Warum? Weil Jesus weiß, dass das Leben ein Weg ist, den jede und jeder für sich gehen muss. Er geht Wege mit, um zu zeigen, dass Gott die Wege der Menschen einzeln mitgeht. Er zeigt, dass es keine allzu allgemeinen Antworten und Regeln gibt, sondern der Blick dem Konkreten gilt. Er weiß, dass das Leben nicht im Buch geschieht, sondern auf der Straße.
Der Evangelist Lukas ist ein Meister der Weggeschichten Wenn wir in diesem Jahr am Beginn der Karwoche die Lukaspassion hören, dann können wir uns schon in Erinnerung rufen, dass wir am Ende der Woche weitere Weggeschichten hören werden: die Wege zum leeren Grab und zurück am Ostersonntag und vor allem auch die Weggeschichte des Glaubens überhaupt – der Weg nach Emmaus, den nur Lukas überliefert. Die Jüngerinnen und Jünger sind es, deren Wege wir nun mitgehen. Sie, die voller Freude sind über den König; sie, die ihn verlassen am Kreuz; sie, die wohl die Entdeckung ihres Lebens am leeren Grab machen, und sie, die am Anfang einer neuen Geschichte Gottes mit den Menschen stehen – sie kommen uns ins Blickfeld. In ihrem Leben spiegeln sich unsere Erfahrungen: Begeisterung für den Glauben, Momente großer Gottverlassenheit, das Staunen über Gottes Dasein mitten in der Welt, die Erfahrungen, etwas zu begreifen von diesem Gott, das Feiern in seinem Namen.
Die Wege der Jünger sind unsere Wege Lassen wir uns ein auf die Jüngerinnen und Jünger mit ihren Gefühlen und Hoffnungen, und begegnen wir uns dabei selbst. Erkennen wir Momente der Feigheit in unserem Leben, wenn wir von Petrus hören. Erschrecken wir vor der Brutalität der Welt, wenn wir der Kreuzigung gedenken. Reflektieren wir unsere schnellen Begeisterungsstürme, die manchmal nur ein Sturm im Wasserglas sind, wenn wir an den Einzug in Jerusalem denken. Hören wir auf, irgendetwas in dieser Welt absolut zu setzen, wenn wir auf den König auf dem Esel blicken. Nehmen wir uns vor, neu unseren Glauben in den Blick zu nehmen, wenn wir uns mit Kleopas und seinem namenlosen Begleiter die Schrift erschließen lassen.
Die Relevanz liegt auf der Straße In diesen Tagen feiern wir das in der Kirche. Aber erinnern wir uns dabei daran, dass all das seinen Anfang nicht hinter schützenden Mauern hat, sondern mitten auf der Straße begann. Denn nur wenn wir diese Erfahrungen mit dem Leben auf der Straße verbinden, werden sie relevant. Nur wenn uns die Verbindungen der Weggeschichten der Bibel mit unseren Wegen und mit den Wegen der Menschen in dieser Welt aufgehen, werden sie bedeutsam.
Auf dem Weg durch die Karwoche Es ist nicht das erste Mal, dass wir Ostern feiern. Und wir spielen kein Theater. Genau deshalb haben wir heute schon die Passion gehört und deshalb nahm auch diese Predigt schon die kommenden Weggeschichten mit in den Blick. Denn: Jesus geht alle Wege mit. Er gibt Richtung und hält, wo wir zu fallen drohen. Er relativiert, wo wir uns zu verrennen drohen. Er ist solidarisch, wo alle weglaufen. Er geht den Jesusweg. Seinen Weg, der auch unser Weg ist und es immer mehr werden kann.
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Konstantin Bischoff |
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