archivierte Ausgabe 4/2019 |
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Die Schriftleitung |
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Leseprobe 1 |
Dreifaltigkeitssonntag |
I. Wer bist Du, Gott? (Joh 16,12–15) |
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Statio Eine Woche liegt Pfingsten hinter uns und damit der Abschluss der Osterzeit. Nun gilt es, wieder in die »Zeit im Jahreskreis« hineinzufinden – nach Möglichkeit mit österlich-pfingstlich inspiriertem Elan. Heute richtet sich dafür der Blick noch einmal auf das Zentrum des christlichen Gottesglaubens. Denn am Dreifaltigkeitssonntag geht es weniger um komplizierte theologische Ideen als vielmehr darum, bewusst zu staunen über das »Geheimnis des göttlichen Lebens« (vgl. Tagesgebet). Paulus formuliert in der Lesung aus dem Römerbrief prägnant: »Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist.« (Röm 5,5) Jesus Christus hat uns dazu den »Zugang« eröffnet (Röm 5,2). Was für eine unfassbare Botschaft! Inmitten aller mit dem Leben verbundenen »Bedrängnisse« (Röm 5,3) diesem Geheimnis der Liebe Gottes vertrauen zu lernen: Dafür haben wir uns hier in Jesu Namen versammelt.
Martin Rohner
Großer Gott: uns näher als Haut oder Halsschlagader kleiner als Herzmuskel, Zwerchfell oft: zu nahe, zu klein – wozu dich suchen? wir: deine Verstecke. (Kurt Marti) (Kurt Marti: Abendland. Gedichte, Darmstadt 1980, 82.)
Annäherung
Dass Gott dreifaltig ist, scheint eine christliche Glaubens-Selbstverständlichkeit zu sein. Denn wir bekennen die Dreifaltigkeit Gottes mit jedem Kreuzzeichen oder drücken sie aus in jedem Segenswunsch. In jedem Gottesdienst – so auch heute – wenden wir uns gemeinsam an Gott, den Vater, durch seinen Sohn Jesus Christus in der Einheit des Heiligen Geistes. Doch die Dreifaltigkeit Gottes in kirchlichen Alltagsgesten oder als kirchliche Alltagsweisheit ist wohl vor allem für Menschen, die im Glauben sehr gut beheimatet sind, etwas wirklich Aussagekräftiges. Drei und doch einer. Drei, nicht nur einer. Was sagt die Dreifaltigkeit beziehungsweise die Dreieinigkeit über unseren Gott? Was kann es auch den Menschen sagen, die nicht allzu vertraut sind mit der hohen Theologie und ihren Gottesinterpretationen?
Theologiegeschichte
Die Theologiegeschichte ist seit ihrer Frühzeit reich an Bildern, Denkgebäuden und »Eselsbrücken«, die den Blick hinter das Geheimnis der Dreifaltigkeit Gottes suchen und es verständlich machen wollen. Tertullian, ein früher christlicher Schriftsteller am Übergang von 2. in das 3. Jahrhundert, gebrauchte für die Dreifaltigkeit (lateinisch: Trinität) das Bild des Baumes: Wurzeln, Stamm und Zweige. Augustinus, einer der großen lateinischen Kirchenlehrer der Spätantike, verglich sie mit der dreifachen Stufung der Natur des Menschen: Körper, Geist und Seele; Basilius von Caesarea, Asket, Bischof und Kirchenlehrer und einer der herausragenden Gestalten des Christentums im 4. Jahrhundert, mit einem Regenbogen: Sonne, Licht und Farben.
Ebenfalls schon aus der Zeit der Väter und Mütter der Wüste stammt für die Dreieinigkeit Gottes das Bild der drei Dochte, die in nur einer Flamme brennen. Der irische Nationalheilige Patrick hat der Legende nach dem irischen Volk mit einem Kleeblatt die Dreifaltigkeit Gottes erklärt. Weltberühmt ist die Dreifaltigkeitsikone des russischen Ikonenschreibers Andrej Rubljow aus dem 15. Jahrhundert: Eine Ruhe und Eintracht ausstrahlende Szene, in der Gott in drei Personen einfach dasitzt an einem Tisch mit einem an den Kelch der Eucharistie erinnernden Gefäß in der Mitte.
In neuerer Zeit hat der Dogmatiker und Fundamentaltheologe Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI., in den 1970er Jahren den Begriff der Wir-Realität Gottes geprägt. Und der schweizerische Theologe Hans Urs von Balthasar spricht über die Dreieinigkeit Gottes als liebendes Ineinandersein, liebender Austausch und liebendes Freilassen, alles in allem als absolute Liebe.
Direkt und einfach: Wer bist du, Gott?
Drei und doch einer. Drei, nicht nur einer. Jenseits abstrakten Denkens und theologischer Sprache möchte ich heute, am Dreifaltigkeitssonntag, noch einen anderen Annäherungsversuch wagen. Ganz direkt:
Wer bist du, Gott? Ganz nah bist du, Gott. Schon immer: Deiner Schöpfung so nah, dass du ihr das Leben einhauchen kannst. Der Sippe Abrahams so nah, dass du selbst noch Saras Kichern hörst. Dem Leiden deines Volkes Israel so nah, dass du 40 Jahre lang mit ihm durch die Wüste gehst. Dem jungen Samuel so nah, dass du den Weg in sein Herz behutsam über seine Träume wählst. Dem erschöpften Propheten Elija so nah, dass du dich ihm im Säuseln des Windes in Erfahrung bringst. Deinen Gerechten ganz nah noch im Feuerofen. Durch alle Zeit deinen Menschenkindern so nah, dass du im Stall von Betlehem ihre Gestalt annimmst am untersten Rand ihrer Ordnungen. – Wer bist du, Gott? Ganz nah bist du. Und berührbar.
Vater, Sohn und Geist: nah, berührbar, erfahrbar, spürbar
Berührbar bist du, Gott, in Jesus aus Nazaret. Zum Greifen nah, nicht nur am Saum seines Gewandes: Der blutflüssigen Frau, dem Aussätzigen bei Kafarnaum, dem blinden Bartimäus oder der Ehebrecherin, denen Jesus Leben und Würde zurückgibt. Dem römischen Hauptmann, dem Synagogenvorsteher Jairus und seiner Tochter oder dem Zöllner Zachäus, denen er das Heil nach Hause bringt. Den Fünftausend, die Jesus satt macht, oder der Frau am Jakobsbrunnen, die ihm das Wasser reichen kann. Der Frau, von der Jesus sich salben lässt mit kostbarem Öl, oder dem Thomas, den der Auferstandene hautnah an sich zieht, um ihm so den Glauben zu schenken.
Zum Greifen nah bist du, Gott, jedem Menschen in seinen hungernden, dürstenden, fremden, obdachlosen, nackten, kranken oder gefangenen Schwestern und Brüdern. – Wer bist du, Gott? Ganz nah bist du. Und berührbar. Und erfahrbar, spürbar bleibst du uns »alle Tage bis zum Ende der Welt« (Mt 28,20) durch deinen Heiligen Geist, der in uns das Feuer deiner Liebe entzünden will. So ist es jedenfalls verheißen: Dass du mitgehst, immer weiter mitgehst. Weit über die Straßen Jerusalems hinaus, über alle Grenzen hinaus.
Gottes-Erfahrungen
Gott hat eine Geschichte. Wo Menschen es wagen, sich in diese Geschichte hineinzustellen, da kommt Gott ihnen unendlich nahe. »Näher, als wir uns selbst nahe sein können«, sagt Augustinus. Wie nahe uns Gott kommt, das scheint ganz und gar zu Gott zu gehören. Menschen haben ihre ganz konkreten Erfahrungen damit gemacht. Mit dem Lebensraum Erde, der uns geschenkt ist, wie wir selbst uns darin geschenkt sind von Gott, dem Vater, der mit grenzenloser Schöpferkraft alles Leben ins Dasein rief. Mit Jesus aus Nazaret, dem Sohn, in dem Gott den Menschen ein Mitmensch geworden ist, um ihnen Wege ins Leben zu öffnen. Wege, auf denen Gott selbst uns entgegenkommt. Wege bis ans Kreuz, durch den Tod hindurch und in die Auferweckung hinein. Mit dem Atem, dem Heiligen Geist, der Menschen erfüllt, wenn Gott mit all seiner »Macht« danach sucht, Menschen für sich und seinen guten Willen zu begeistern, damit die Erde werden kann, wozu sie geschaffen ist: ein Lebenshaus, aus dem niemand ausgeschlossen bleibt.
Dreifaltigkeitssonntag: Gottes Einladung, ihm nahezukommen
Wer bist du, Gott? Ein Gott-in-Beziehung. Ein Gott, der sich in Erfahrung bringt. Ganz nah. Ganz konkret. Mit Herz und Hand. Ein Gott, dessen Leidenschaft es ist, Menschen zu gewinnen, nicht sie zu überrollen. Unendlich lebendig. Darum kann die ganze Antwort immer nur eine vielfache sein. Und nie eine endgültige.
Die christliche Tradition hat schon früh begonnen, eine Antwort durch das Bekenntnis der Dreifaltigkeit Gottes zu geben. Dieses Bekenntnis ist eigentlich gar nicht abstrakt. Die theologische Lehre vergisst das manchmal, wenn sie Gott mit ihren Begriffen auf den Leib rücken will. Dabei hat Gott von sich aus Wege geöffnet, ist »herausgekommen«, uns nahe zu sein. Das Evangelium des heutigen Sonntags fasst das knapp so zusammen: In Jesus aus Nazaret bringt Gott uns auf seine Spur. Sein Mitleben unter den Menschen, seine Gesten, Taten, Worte zeigen uns die Richtung, in der wir Gott suchen und ihn erfahren können. Der Heilige Geist steht uns dabei als treuer Wegbegleiter bei. So lädt uns der dreieinige Gott zu einer gemeinsamen Lebensreise ein. Und heute, am Dreifaltigkeitssonntag, dürfen wir diese Einladung Gottes, ihm in seiner Fülle immer näher zu kommen, dankbar feiern: im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
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Vera Krause |
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