archivierte Ausgabe 5/2024 |
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Die Schriftleitung |
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Leseprobe 1 |
19. Sonntag im Jahreskreis |
II. Gut ernährt (1 Kön 19,4–8; Joh 6,41–51) |
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Brot vom Himmel
»Brot vom Himmel hast du ihnen gegeben – das alle Erquickung in sich birgt.« Man singt diesen Vers, oft auf Latein, zum Abschluss einer eucharistischen Andacht. Wer dies schon einmal miterlebt hat, riecht wahrscheinlich inwendig Weihrauch und schaut mit inneren Augen auf die Eucharistie in einer Monstranz. Feierlich ist das.
Im heutigen Evangelium geht es weniger feierlich zu. Vielmehr murren die Menschen. Sie können mit der Rede Jesu nichts anfangen, sie bleibt ihnen fremd und verschlossen. Wie kann der Jesus, den sie kennen – ein Mensch aus ihrer Mitte – das Brot sein, das vom Himmel herabkommt? Dass er sein Fleisch für das Leben der Welt geben will, wirkt unnahbar, überfordernd, religiös überhöht. Einwände und Ablehnung statt Weihrauch und Anbetung. Und das ist gut so.
Tatsächlich ist das sechste Kapitel des Johannesevangeliums, das uns schon seit zwei Sonntagen begleitet, harte Kost. Es beginnt lieblich mit der Speisung der Menschenmenge und endet herbe damit, dass einige der Jünger und Jüngerinnen sich von Jesus trennen. Seine »Brotrede« ist ihnen unerträglich. Jesus ist sich der Provokation bewusst, die er mit seinen Worten auslösen kann. Deshalb tun wir gut daran, nicht vorschnell in sonntägliche Feierlichkeit zu verfallen und uns mit ein paar netten Worten über die Eucharistie zufrieden zu geben. Wir sollten ehrlich der Spur dieses Evangeliums nachgehen, damit es zu uns spricht.
Gib uns Hunger, Gott
Nehme ich Hunger in mir wahr? Hungert uns nach dem Brot des Lebens? Keine einfachen Fragen. Selbst wenn ich bete, neige ich dazu, meinen Hunger vor Gott zu verstecken, ihn nicht ins Gespräch bringen. Obwohl ich in der Tiefe oft hungrig bin: nach Liebe, einem Zuhause, nach Einfluss oder Erfolg; hungrig nach Sinn, nach Frieden und Gerechtigkeit. Aber antwortet Gott darauf? Läuft da etwas mit ihm? Gehört es nicht zum erwachsenen Leben dazu, mit einer gewissen Frustration zu leben, eben mit einem ungestillten, unterschwellig mitgeschleppten Hunger?
Ähnlich ging es dem Volk Israel nach dem Auszug aus Ägypten. Große Wunder hatten sie erlebt. Der Durchzug durch das Rote Meer liegt hinter ihnen. Doch bald in der Wüste wünschten sie sich, bei den Fleischtöpfen im Sklavenland geblieben zu sein – da hatten sie Brot genug. In der Krise des Hungers zweifeln sie an der Treue Gottes zu ihnen. Brot wird wichtiger als Freiheit. Gott achtet auf ihr Murren und lässt Manna vom Himmel regnen. Gestärkt durch diese Speise und die Zuwendung Gottes können sie ihren Weg durch die Wüste in das verheißene Land fortsetzen.
Ähnlich geht es dem Propheten Elija in der heutigen Lesung. Auch er ist in der Wüste und in der Krise. Nicht Lebenshunger, sondern Todessehnsucht bewegt ihn. Sterben will er, ausgebrannt und enttäuscht. Zweimal kommt ein Engel und bringt ihm Brot. Er beachtet diese zärtliche Zuwendung kaum, aber er isst von dem Brot. Von dieser Speise gestärkt kann er weitergehen. Er kann seine Lebensreise und seinen Berufungsweg fortsetzen.
Was ist das für ein seltsames Brot? Es wird von Gott gegeben in der Krise. Wer dieses Brot isst, kann seinen Weg fortsetzen, kann weitergehen. Das ist aber nicht alles. Das Brot verwandelt und erneuert. Das Volk Israel setzt nicht einfach seinen Weg einige Kilometer weiter fort, sondern lernt etwas Neues. Sie müssen sich erst an das neue Brot und den Geschmack gewöhnen. Langsam lernen sie, dass Gott treu ist. Dass er für sie sorgt und sie führt. Ebenso ergeht es Elija. Er lernt ebenfalls etwas Neues. Er muss nicht immer der starke Mann sein, besser als seine Väter und Mütter. Sondern als er schwach und schwächer wird, da wird Gott ihm neu. Er begegnet Gott nicht mehr in der aggressiven Macht des Feuers, sondern im Hauch der Stille.
Das Brot vom Himmel ist ein Brot für Lernwege, für Berufungswege, für Wandlungswege. Vielleicht kann ein Blick auf den spanischen Mystiker Johannes vom Kreuz hilfreich sein. Er benutzt Bildsprache, um anschaulich vom Glaubensweg sprechen zu können. Am Anfang des Glaubensweges, so sagt er, ist Gott wie eine Mutter, die uns an ihrer Brust saugen lässt. Wir empfangen Milch: Süßigkeit, Trost, Freude. Doch Gott möchte, dass wir erwachsen werden, zu seinen Partnern und Partnerinnen heranreifen. Deswegen bestreicht er – im Bild gesprochen – seine Brust mit Aloe, sodass sie bitter schmeckt und die Kinder sich an andere Nahrung gewöhnen müssen. So sollen wir als Kinder im Glauben entwöhnt werden und lernen, feste Speise zu essen. Jesus, das Brot, das vom Himmel herabgekommen ist, ist diese feste Speise.
Werde gnädig Nahrung, du
Der Hunger ist also wichtig, um im Glauben erwachsen zu werden. Wenn Steine in Brot verwandelt würden oder Gott ständig Brot vom Himmel regnen ließe, dann würden wir unselbstständig bleiben und kindisch werden. Vielmehr sind wir gerufen, zu Partnern und Partnerinnen Gottes zu werden, zu Gefährten und Gefährtinnen Jesu und zu Menschen, die in der Kraft des Heiligen Geistes selbst zum Brot für andere werden. Jesus gibt sein Fleisch, also sich selbst, für das Leben der Welt. Zu weniger sind auch wir nicht gerufen. Unser Leib, unsere Lebensgeschichte, wir selbst können zur Nahrung werden für Andere.
Dazu müssen wir Lernende werden, Schüler und Schülerinnen Gottes. Wie geht das? Vielleicht hat es zunächst mit Selbstsorge zu tun. Wir müssen uns gut ernähren, wenn wir anderen etwas geben möchten. Wahres Leben hat damit zu tun, gesättigt zu werden. Das kann vielfältig und unterschiedlich geschehen: Man sättigt sich an Einsicht und labt sich an Erkenntnis. Wir verkosten einen wertvollen Augenblick. Man möchte sich satt sehen an dem, was das Herz beglückt, oder ist von prägenden Eindrücken erfüllt. Da, wo wir als Menschen satt werden, ist Gott nahe. Nicht umsonst heißt es im 63. Psalm: »Wie an Fett und Mark wird satt meine Seele«, oder auch im heutigen Psalm: »Kostet und seht, wie gut der Herr ist« (Ps 34,9).
Am heftigsten wird der Hunger in der Liebe. Es erfüllt uns mit Freude, wenn es der geliebten Person gut geht. Innerlich werden wir erfüllt und gesättigt, wenn wir uns selbst geben dürfen. Das kann Schmerz mit sich bringen, Verletzlichkeit, Verlust, Komplikationen. Aber wir ahnen, dass es den Hunger stillt. Begreifen wir, von welcher Liebe Jesus bewegt ist, als er den Wunsch seines Herzens offenbart: »Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch für das Leben der Welt«? Der Wunsch, sich selbst zu geben, damit es anderen gut geht, erwächst nur aus der Liebe. Ja, dann wird er zu einem speziellen Hunger. Noch stärker als der Wunsch geliebt zu werden, ist vielleicht dieser Hunger nach Selbstgabe. Er führt uns über uns selbst hinaus. Neues entsteht.
Jesus, das Brot des Himmels, ernährt uns nicht nur, sondern ruft uns in die Gegenseitigkeit. Die heilige Edith Stein betet in ihrem eucharistischen Danklied: »Dein Leib durchdringt geheimnisvoll den meinen. Und deine Seele eint sich mit der meinen. Ich bin nicht mehr, was einst ich war.« Jesu Leben wird Brot für uns und gestärkt von dieser Speise gehen wir unseren eigenen Weg weiter. Gestärkt von dieser Speise können wir uns geben. Auch in der Krise, im Bedeutungsverlust und im Sterben. Das ist vielleicht nicht sehr feierlich – aber sehr menschlich.
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Anne Kurz |
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