archivierte Ausgabe 6/2008 |
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Die Schriftleitung |
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Leseprobe 1 |
Dreiunddreißigster Sonntag – 16. November 2008 |
I. Wenn die Angst Ratgeber spielt (Mt 25,14–30) |
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Zielsatz: Die Hörenden sollen die Zuversicht des Evangeliums spüren: Im Talente-Gleichnis geht es nicht um Leistungsabstufungen, sondern um die Bewältigung von Angst.
Erfahrungen in der Erwachsenenbildung Bei biblischen Vorträgen oder Kursen der Erwachsenenbildung ist mir schon mehrmals das Talentegleichnis, das heutige Evangelium, »um die Ohren geschlagen« worden. Meist als Einwand von Zuhörern gegen das von mir gezeichnete Gottes- und Jesusbild – so im Sinn von: Es gibt aber doch auch den ganz anderen, beinharten Jesus, der so gar nicht in das Portrait des Herrn Referenten passt! Den Jesus, um den sich die Theologen gerne herumdrücken. Um was geht es in diesem Evangelium?
Keine Jenseitsreportage Die Erzählung ist ein Gleichnis – also eine fiktive Geschichte, die den Hörerinnen und Hörern damals und uns heute einen ganz bestimmten »Punkt« nahebringen möchte. Eine fiktive Geschichte (»Mit dem Himmelreich ist es wie … «) ist daher nicht für die Auswertung in der »Jenseits-Statistik« geeignet: Einer von dreien wird »in der Finsternis heulen und mit den Zähnen knirschen« – somit eine Trefferquote von ca. 33% Höllenaspiranten. Es geht auch gar nicht um eine Leistungsabstufung zwischen den drei Dienern. Darauf macht schon die völlig gleichlautende einladende Reaktion des Herrn (Gottes) aufmerksam: Einerlei, ob zwei oder fünf Talente gewonnen wurden, beiden wird wortgleich zugesagt: »Sehr gut, du bist ein tüchtiger und treuer Diener. Du bist im Kleinen ein treuer Verwalter gewesen, ich will dir eine große Aufgabe übertragen. Komm, nimm teil an der Freude deines Herrn!«
Warnung vor der Angst Das einzige Problem und Thema ist das Verhalten des dritten Dieners. Er »weiß« über den Herrn (Gott) restlos Bescheid: wohl als Frucht eines »lausigen« Religionsunterrichts ist ihm ein (aus der Sicht Jesu total verdrehtes) Gottesbild geblieben: Ein »strenger Mann«, der »erntet«, wo er »nicht gesät« – und der sammeln will, wo er nicht »ausgestreut« hatte. Bei einem solchen Herr-Gott kann man nur Angst bekommen! Er sitzt dabei allerdings einem fatalen Vorurteil auf. Angst also ist die geheime Ratgeberin des dritten Dieners. Aus Angst, etwas falsch zu machen, macht er gar nichts. Er hält sich aus allem raus. Er lässt sich auf nichts und niemand ein. Wer aber auf nichts und niemand vertraut, der wird nicht erst einst in die »Finsternis« geraten, dem muss nicht mit der jenseitigen künftigen Hölle gedroht werden. Die Hölle ist bereits da, er »lebt« bereits in ihr! So ein Leben »ist« die Hölle. Mit dieser grellen Geschichte möchte Jesus davor warnen, die Angst zum Ratgeber im Leben und im Glauben zu wählen.
Gegenproben Wir können noch eine »Gegenprobe« machen: Gesetzt den Fall, es gäbe eine Variante unseres Gleichnisses. Ein erster Diener gewinnt fünf, ein zweiter zwei Talente – alles wie im Originalgleichnis – aber der dritte Diener käme und würde sagen: »Ich habe alles versucht und alles riskiert und alles verloren, ich habe nichts zu bieten«. Welche Reaktion des Herrn würde Jesus erzählen? Ich bin ganz sicher, er würde den »Versager« einladen: »Komm, nimm teil an der Freude deines Herrn!« Als Beleg kann die Erzählung vom »verlorenen Sohn« (Lk 15) dienen. Dort wird ja breit entfaltet, wie der Gott, den Jesus nicht müde wird zu verkünden, mit Versagern, die alles riskiert und verloren haben, umgeht. Statt der erwarteten Strafe folgt ein Festmahl! Das Erbarmen des Vaters ist das »Grund-Legende«. Noch eine Gegenprobe ist naheliegend: Der ältere Bruder des »Verlorenen« glaubt nicht wirklich, was ihm der Vater sagt: »Alles, was mein ist, gehört schon dir!« – er reagiert mit Misstrauen: »Niemals übertrat ich dein Gebot …« Würde man den älteren Sohn fragen, warum er so kleinkariert vom Vater denkt, könnte er – eben mit unserem heutigen Gleichnis antworten: »Ich wusste, dass du ein strenger Mann bist, du erntest, wo du nicht gesät hast …« Lückenlos passen die beiden Gleichnisse aneinander und zueinander. Ein zentraler Impuls jedenfalls ist die Aufforderung, nicht die Angst Ratgeber spielen zu lassen, sondern im Gegenteil, sich auf das Leben mit allen Herausforderungen und Risiken einzulassen, vertrauend auf einen Gott, der uns nicht fallen lassen wird. Auch für Sie und mich gilt dann: »Nimm teil an der Freude«!
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Josef Wagner |
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