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Die Schriftleitung
Leseprobe 1
Allerheiligen
I. Allerheiligen: Das Fest der vielen Gesichter (thematisch)
Eine Frage ganz im Vertrauen

Eine Frage ganz im Vertrauen: Wollen Sie heilig werden? Die Frage ist ernst gemeint. Am heutigen Fest liegt diese Frage doch in der Luft: Wollen auch Sie heilig werden?

Nicht wenige von uns dürften den bloßen Gedanken an ein heiligmäßiges Leben eher muffig und wenig reizvoll finden. Heilig werden? Ich? Nein, danke! Diese Abneigung ist nicht sehr verwunderlich. Sie rührt wohl daher, dass wir uns unter Heiligen gemeinhin immer das gleiche vorstellen: lautere Heldinnen und Helden, die zur Ehre der Altäre erhoben wurden, Kämpfer, Asketen und Märtyrer … Das schreckt ab. So wie wir sie kennen, können wir selbst doch nicht sein. Auf Brücken und Postamenten, Brunnen und Hausfassaden blicken sie auf uns herab. An ihre Frömmigkeit und Glaubensstärke, ihre radikale Nächstenliebe und ekstatische Gottesliebe komme ich doch nicht heran. Gegenüber ihren religiösen Höchstleistungen bin ich eher ein religiöser Breitensportler. Heilig werden und kein normaler Mensch mehr sein, das ist doch nichts für mich. Heilig werden? Echt jetzt?

Menschen wie Sie und ich


Das Fest des heutigen Tages aber spricht eine andere Sprache. Auch wenn Heilige oft verklärt und in unendliche Sphären entrückt wurden, zunächst einmal waren und sind sie Menschen wie Sie und ich. Auch sie haben gerungen – um die einfachen, kleinen Dinge des Lebens. Sie kannten die Mühsal und Langeweile der täglichen Arbeit. Sie wussten um die Gefährdung des Lebens durch Krankheit und Tod. Sie haben erlebt, wie sehr man unter persönlichen Schwächen leiden kann. Sie machten Einsamkeit und Lieblosigkeit bis zur Genüge durch. Sie kennen Scheitern und Fallen, Sünde und Schuld, Konflikte und Streit. Auch Heilige hatten mit ihrem Leben ihre liebe Not. Sie haben gezweifelt und um Entscheidungen gerungen. Heilige – das macht das heutige Fest sehr deutlich – waren doch auch Mütter und Väter, Ordensleute und Priester, Arme und Reiche, Gelehrte und eher einfach Gestrickte, Berühmte und Unscheinbare. An Allerheiligen feiern wir sie alle: Menschen wie Sie und ich!

Wer könnte sicher sein, dass nicht auch jemand aus unserem Familien- und Bekanntenkreis zu ihnen gerechnet werden darf? Die unauffällige Großmutter, die immer dann zur Stelle war, wenn Hilfe Not tat; der Vater oder die Mutter, die zwar die Weltpolitik nicht verändern konnten, aber schlicht und ergreifend in selbstloser Treue für die Ihren da waren? Die Liste ließe sich verlängern. Allerheiligen ist der große Tag all jener, die ihr Leben gemeistert und ihren Glauben praktiziert haben inmitten der blanken Alltäglichkeit, die auch wir sehr gut kennen.

Niemals aufhören anzufangen

Das Leben der Heiligen war wie das unsrige auch. Sie alle haben Ängste ausgestanden und sich durch Dunkelheiten gequält. Heilig sind oder wurden sie nicht, weil sie es im Leben so viel leichter hatten. Was also macht den Unterschied?

Es ist die Spannkraft, die Zähigkeit und die Geduld, immer wieder neu anzufangen. Davon lebt der Weg zur Heiligkeit: Heilig werden heißt, die Kompassnadel immer wieder auf Gott auszurichten. Heilig werden heißt, Glaube, Hoffnung und Liebe zum Maßstab zu nehmen. Die Heiligen sind nicht makellos oder frei von Schuld. Sie haben Fehler gemacht und sind Umwege gegangen. Nur haben sie immer wieder – ein ganzes liebes Leben lang – Vergebung gesucht und unzählige Neuanfänge gewagt.

Die Heiligen kannten Glaubenskrisen und bedrückende Zweifel. Man denke doch nur an Mutter Teresa, die in ihren Aufzeichnungen von dunkelsten Nächten der Gottesferne spricht. Nur haben sich die Heiligen immer wieder zum Vertrauen durchgerungen, dass Gott an unserer Seite geht und nichts uns von seiner Liebe trennen kann.

Auch den Heiligen ging das Christsein nicht einfach leicht von der Hand. Die Liebe zum Nächsten und der Einsatz für die Armen beanspruchte sie durch und durch. Sie werden geseufzt und gestöhnt haben und manchmal drauf und dran gewesen sein, alles stehen und liegen zu lassen und davonzulaufen. Und dennoch: Der Weg zur Heiligkeit lebt von der Zähigkeit, es immer und immer wieder zu versuchen. Die Kunst zur Heiligkeit besteht darin, durch viele kleine und kleinste Schritte und Entscheidungen der Liebe Gottes ein Gesicht zu geben. Man wird nicht als Heiliger oder Heilige geboren. Heilig ist man nicht einfach so. Heilig wird man: durch die Schwielen an den Füßen und den Muskelkater in den Beinen, wenn man versucht, den Glauben im Alltag zu leben.

Das eigene Passwort zur Heiligkeit

Der Heiligenkalender kann all die vielen verschiedenen Wege zur Heiligkeit nicht abbilden. Er zeigt uns nur die Spitze des Eisberges. Unter der kanonisierten Wasseroberfläche lässt das heutige Fest eine schier unendlich große Zahl von Heiligen erkennen: das oft übersehene heilige Bodenpersonal Gottes in unserer Welt. Allerheiligen ist ein mutmachendes Fest, weil es nicht nur den einen Weg zur Heiligkeit gibt. So verschieden die Heiligen sind, so verschieden sind die Möglichkeiten, um heilig zu werden. In je ihrer Zeit, mit ihrem Charakter und in ihrer Umgebung haben die Heiligen versucht, dem Glauben ein Gesicht zu geben. Sie haben ihr Passwort gefunden: ihren persönlichen Schlüssel zur Heiligkeit. So wurden sie Gottes helfende Hand, sein liebender Blick oder sein tröstendes Wort.

Die Wege zur Heiligkeit sind vielfältig und schier unendlich. Die vielen verschiedenen Gesichter dieses Tages machen das deutlich. Da ist das liebevolle Gesicht eines Franziskus: Er lebt die Armut inmitten einer mittelalterlichen Kirche, die im Reichtum und Luxus zu versinken droht. Da ist das barmherzige Gesicht eines Pfarrers von Ars: Er mag nicht der große Theologe gewesen sein, aber er ist der Prototyp eines Zuhörers, Seelsorgers und Beichtvaters. Da ist das zärtliche Gesicht einer Mutter Teresa: Sie kann die Not der Welt nicht beseitigen, aber sich doch neben die Ärmsten der Armen hinknien, ihre Wunden verbinden und sie im Abschied begleiten. Und da sind unsere Gesichter: Ihres und meines …

Was ist unser Schlüssel zur Heiligkeit? Vielleicht ist es für viele von uns die Liebe und Sorge um die uns anvertrauten Menschen. Es mag der Einsatz meiner Talente und Begabungen sein, um das Evangelium zu Gehör zu bringen – in der Pfarrei, im Beruf, in der Familie. Womöglich besteht der Schlüssel zur Heiligkeit im geduldigen und anständigen Aushalten von Streit und Anfeindung. Es mag das verständnisvolle Zuhören sein oder das kraftvolle Reden, das Zupacken oder auch das Seinlassen, die energische Praxis oder einfach ein liebevoller Blick. Die Wege und Passwörter zur Heiligkeit sind bunt und vielfältig. Das heutige Fest ist der beste Beweis dafür. Erhalten aber hat jede und jeder eines: sein persönliches Passwort zur Heiligkeit.

Wollen Sie heilig werden?

Zurück zur Frage: Wollen Sie heilig werden? Die Heiligen haben ihr Stichwort vernommen und ihr persönliches Passwort zur Heiligkeit gefunden. Wie Gottes Worte vielfältig sind, so bunt ist auch der Chor der Heiligen. Und dabei waren sie doch ganz normale Menschen: Menschen wie Sie und ich. Nur ein Quäntchen mehr Vertrauen dürften sie vermutlich gehabt haben: Geduld und Mut zum täglichen Neuanfang. Aber deswegen ist Heiligkeit noch lange nichts Extremes. Heiligkeit ist auch etwas für Sie und für mich. Heiligkeit führt nicht aus dem Alltag von uns Menschen hinaus, sondern mitten hinein: hinein in das Lieben und Leiden, in helle und dunkle Etappen unseres Weges, in Freude und Leid. Mitten im Alltag öffnet sich der Weg zur Heiligkeit. Und darum die Frage: Wollen Sie nicht auch heilig werden?

Hans-Georg Gradl

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