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Leseprobe 2 |
DAS THEMA: UNSERE HOFFNUNG – HEUTE |
Pilger der Hoffnung – Drei Predigten zum Heiligen Jahr |
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I. Heiliges Jahr
Heiliges in der Zeit
Alle 25 Jahre findet ein Heiliges Jahr statt. Zu Weihnachten wurde es eröffnet. Rechnerisch kann man es also auf die (angenommene) Geburtsstunde Jesu im Jahre Null zurückführen. Inhaltlich geht es in einem Heiligen Jahr um eine erneuerte Ausrichtung der eigenen, persönlichen Geschichte am Leben Jesu Christi. Es ist eine Erinnerung, uns von seinem Leben prägen zu lassen und die Richtung zu überprüfen, die unser Leben genommen hat. Was macht eigentlich meine christliche Karriere? In einem langen Leben kann man drei solcher Heiliger Jahre erleben, in jedem Lebensalter eines. So betrachtet geht es dann in einem solchen Jahr um wesentliche Kursbestimmungen oder Kurskorrekturen, wenn man bedenkt, auf was und wen unser Leben zuläuft.
Eine Tür ist offen
Solche Neuorientierungen sind oft mit dem Motiv des neuen Weges und der Tür verbunden, über deren Schwelle man nun schreitet, um seinen eigenen Weg neu unter die Füße zu nehmen. Wallfahrt ist das Ausdrucksmittel solcher Neuanfänge. »Pilger der Hoffnung« ist das Motto dieses Heiligen Jahres. Und in Rom wird eine Tür am Petersdom geöffnet, die nur im Heiligen Jahr offensteht. Das ist das Bild des Jahres: die offene Tür, die den Pilger erwartet. In der Offenbarung des Johannes gibt es ein großes Wort: »Ich habe vor dir eine Tür geöffnet, die niemand mehr schließen kann.« (Offb 3,8) Gott hat uns eine Hoffnung eröffnet, die keine Macht auf Erden schließen kann. Die heißt Ostern, Auferstehung, Leben mit allen bei Gott. Dass diese Tür dann doch wieder am Ende des Heiligen Jahres verschlossen wird, scheint ein Widerspruch zu sein. Aber das Schließen macht etwas über uns deutlich: Dass wir nicht immer offen sind Gott gegenüber und dass es auch für die Beziehung zu Gott von unserer Seite so etwas gibt wie die bestimmte Zeit und den besonderen Moment. Da schreitest du hindurch – oder du bleibst, wo du immer warst. Die Tür ist nicht dafür da, immer offen zu bleiben, sondern um hindurchzugehen. Wer sich immer alles offen hält, kommt nicht vom Fleck. Was immer da ist, kann schnell auch etwas werden, was nie wahrgenommen wird. Vielen guten Dingen geht es so. Selbst Gott könnte es so mit uns gehen. Immer da, doch selten oder nie wahrgenommen?
Vom Unterwegssein auf Lebenszeit
Wir sind, wenn unser Leben ein Ziel hat, das über persönliche Verwirklichungen hinausgeht, unterwegs zum Guten, zum Guten überhaupt, Gott selbst. Zu bestimmten Zeiten kann das deutlicher in das Bewusstsein kommen. Darum gibt es Heilige Jahre, auch in der persönlichen Lebensgestaltung. Dann beginnt innerlich oder auch äußerlich ein Weg auf ihn zu. Das ist Pilgern. Und weil Gott das Ziel ist, ist das ein Hoffnungslauf. Pilger der Hoffnung. Die Welt geht nicht zum Teufel. Sie kreist auch nicht nur um sich selbst und um mich selbst schon gar nicht. Ihr Dasein kommt von Gott und hat in ihm ihr Ziel. Wir sind noch nicht am Ziel. Wir sind mit ihm unterwegs, um die Welt auf eine gute Art und Weise in seinem Geist zu gestalten. Es geht nicht nur um mehr oder weniger privates Glück im eigenen Leben. Es geht um Leben und Weg für alle, ob getauft oder nicht. Ich bin der Weg, sagt Christus, und das Leben in Fülle. Sogar die Wahrheit, die Wahrheit nämlich, dass er für alle gelebt hat und gestorben ist und auferweckt wurde. Wir haben eine Hoffnung für die Welt. Er ist für uns wie niemand sonst. Kürzer kann man es kaum sagen. Er ist für uns gegangen. Und für wen gehen wir? Gehen wir für ihn! Das heiligt unsere Zeit, die Menschheit und ihre Jahre.
II. Ablass Ablass – wieso, weshalb, warum …?
Die Rede vom Leben bliebe seltsam unrealistisch, ohne auf das zu schauen, was daneben geht, was das Ziel verfehlt, was an Leid verursacht wird oder an Bosheit in der Welt ist. Das ist keine theologische Erfindung. Das steht täglich in der Zeitung. Wir stehen auch in gravierenden Schuldzusammenhängen. Wir bleiben einander vieles schuldig. Wir fügen einander Schaden zu. Das ist eben auch wahr und hat im Vaterunser seinen Platz wie das tägliche Brot. Die Frage nach Verantwortung, Schuld und Wiedergutmachung gehört zum denkenden Menschen. In ihrer reifen Form gehört dazu der einsichtige Wille, wirklich etwas wiedergutzumachen, und nicht etwa der Wunsch, irgendwie billig davonzukommen. Freilich gehört auch dazu, dass es oft alles andere als klar ist, wie etwas zurückzuholen und zu reparieren wäre, und was geschehen kann und müsste, damit es wirklich gut ist.
Das giftige Wort vom Ablass
Zum Heiligen Jahr gehört der Gedanke der Wiedergutmachung, also der Heilung von Verletzungen und dazu wiederum die Möglichkeit, einen sogenannten Ablass zu bekommen. Ein schwieriges Wort, ein missbrauchtes Wort, das Spaltung gebracht hat in der Zeit der Reformation. Gehört es nicht in den Giftschrank theologischer Begriffe und frommer Praxis? Wenn man zugesteht, dass die Dosis das Gift macht, kann man es einerseits durchaus als ein Heilmittel sehen, und andererseits vor dessen Missbrauch warnen. Was daran kann man positiv verstehen?
Zuerst: Luthers Kritik an einem käuflich erworbenen Ablass, der den Bau des Petersdomes finanzieren sollte, bleibt bestehen. Aber dann: Der Gedanke vom Ablass ist viel älter und er hat mit einem Heiligen zu tun, der ökumenische Verehrung genießt: Franz von Assisi. Das nimmt vielleicht einmal die Sorge weg, das Thema könnte ökumenisch betrachtet ganz und gar unmöglich sein. Worum geht es denn? Vor allem Tun des Menschen geht es um die Barmherzigkeit Gottes. Sie zu spüren und darüber Gewissheit zu erfahren und dann Befreiung für einen neuen und anderen Weg zum Guten, ist Sinn dieses Nachlasses (Ablass). Das Lassen und Lösen ist der Kirche vom Auferstandenen aufgetragen (z. B. Joh 20,23).
Ein Blechschaden wirft Fragen auf
Wenn man Dinge aus dem Bereich des Glaubens erläutern will, ist es sehr hilfreich, wenn man sich zunächst fragt, für wen diese Dinge hilfreich, wichtig oder notwendig sein könnten. Fragen zu beantworten, die keiner gestellt hat, ist wenig nützlich.
Ich hatte schon als Kind so eine Frage. Vielleicht macht dieses einfache Beispiel etwas deutlich: Ich erinnere mich, dass ich mit meinem Roller über die Straße gefetzt bin, bis es knallte. Ich war in ein parkendes Auto hineingefahren. Ich hatte Abschürfungen davongetragen. Das Auto hatte wahrscheinlich einige Kratzer oder eine Beule. Ich schaute nicht einmal nach und haute ab – mit einem ordentlich schlechten Gewissen, das desto lauter einsetzte, je mehr der anfängliche Schock wich. Mein Vater sprach mich auf die Abschürfung an meinem Knie an, und ich erzählte ihm die ganze Geschichte. Die Beichte tat gut. Aber damit war ja für den Fahrzeugbesitzer noch nichts wiedergutgemacht. Welcher Schaden war nun am Auto entstanden? Wir gingen los. Ich wollte es meinem Vater zeigen. Aber es war nicht mehr da. Leider! Wir hätten es gern wieder gutgemacht. Damals hat mich meine von Angst gesteuerte Flucht auch in meinem Gewissen Gott gegenüber belastet. Ich habe meine kindliche Fahrerflucht also auch in der Kirche gebeichtet. Ich zweifle nicht an Gottes Vergebung. Aber: Bis heute ist jemand auf diesen Kratzern sitzengeblieben. Das ist der Punkt, um den es geht. Dem unbekannten Autobesitzer gegenüber stellt sich die Frage der Wiedergutmachung als Teil einer echt empfundenen Reue. Sich selber von Wiedergutmachung lossprechen, hat einen faden Beigeschmack. Auf eine Versicherung für ihn hoffen, kann helfen, weil dann die gesamte Versicherungsgemeinschaft durch ihre Beiträge für den Schaden aufkommt und man später, erwachsen geworden, auch in so etwas einzahlt. Mir ist es später im Leben so gegangen, dass mein eigenes Auto einige Male ohne Wiedergutmachung verkratzt wurde. Jedes Mal hat es mich daran erinnert, dass auch ich einmal … Vielleicht auch jemand, der seine Angst nicht unter Kontrolle hatte? Und einmal hat mein Sohn, von einem vorbeifahrenden Auto bedrängt, ein parkendes Auto mit seinem Rad beschädigt. Ich riet ihm, den Schaden zu melden. Daraufhin hat sich die Besitzerin gemeldet. Wir haben den Schaden dann bezahlt. Wie dankbar sie war, dass wir uns gemeldet haben! Das hat etwas von einer Genugtuung an sich, auch wenn es in keinem Fall direkt den betroffen hat, dem ich damals als Kind ins Auto gefahren war.
Es geht hier nicht um Vergebung, sondern um Wiedergutmachung
Nun will ich dieses Beispiel loslassen. Es gibt weit größere Schäden und Schuld. Aber es sollte helfen, den Unterschied zwischen eingestandener Schuld (Beichte) und Schuld im Sinne geschuldeter Wiedergutmachung und Schadensregulierung klarzumachen. Über letzteres wird wenig gesprochen. Da hat jemand etwas getan, was er stark bereut, er hat es gebeichtet und versucht es wiedergutzumachen, so gut es eben geht. Dagegen türmen sich nicht unbedingt Widerstände auf, aber Probleme, das Vorhaben umzusetzen. Manche Dinge kann man in einem direkten Sinn nur schwer wieder gutmachen:
– Der Schaden, den man angerichtet hat, hat anderes, also Drittes längst negativ beeinflusst und angestoßen. Keine Tat steht ja für sich allein. Zwischen der Wiedergutmachung und dem angerichteten Schaden ist vielleicht eine lange Zeit vergangen. Wer z. B. schlecht über einen anderen Menschen geredet hat, wird die in Umlauf gesetzten Fehlinformationen kaum vollständig wieder zurückrufen können. Der Ruf bleibt geschädigt. Er hat sich weiterverbreitet. Aus dem geschädigten Ruf haben sich durch Vertrauensverlust neue Schäden ergeben. Viel zu spät setzt der Versuch ein, die Rufschädigung wieder zurückzurufen.
– Wiedergutmachung wird schwerer, wenn die Person, der man geschadet hat, weit weggezogen ist, oder fast unmöglich, wenn sie verstorben ist.
– Wenn ich einen Menschen verletzt habe oder sogar getötet habe, kann ich dann alle Folgen absehen? Gibt es nicht das, was nicht wiedergutzumachen zu sein scheint? Aber der Wille oder die empfundene Pflicht wiedergutzumachen (also die »Buße«, was von Besserung kommt) – davon geht die ganze Überlegung aus – ist bei mir ungebrochen da. Nur plagt mich das Wissen, dass da nicht alles in einer »genugtuenden« Weise gutzumachen ist.
Gibt es ein Genug in der Genugtuung?
Wie geht nun Wiedergutmachung, wenn es in direkter Weise nicht oder nur annähernd möglich ist? Und gibt es da eine Grenze? Wann ist es genug? Wenn ich jemanden verletzt habe, wann ist genug an Heilung dagegengesetzt? »Nie!«, sagt einer. Dann sind wir in einer Art von unbegrenzter Unbarmherzigkeit gelandet. »Ach, das muss man nicht so ernst nehmen«, sagt ein anderer. Dann sind wir in einer Art von Selbstgerechtigkeit gelandet.
Kann man dann nicht etwas Gutes tun und dagegensetzen, nicht nur im Wiederholungsfall? Kann man sagen, dass man in anderen Bereichen oder an anderen Personen Gutes tut und wiedergutmacht, was andere ihnen an Schaden angerichtet haben? Kann man hoffen, dass da, wo man selbst etwas schuldig geblieben ist, andere in die Bresche springen? Dass es also so etwas wie »Stellvertretung« gibt und Solidargemeinschaft? Denn du bist ja nie allein mit deinen Fehlern, mit deiner Schuld, aber eben auch nicht mit deiner Wiedergutmachung. Immer stößt eine gute Tat auch irgendwo eine andere an. Die Aktion Sühnezeichen wollte in Israel etwas von den ungeheuren Naziverbrechen wiedergutmachen und trug zu Sozialprojekten des Landes bei. Sie wollte an den Nachfahren der Opfer etwas gutmachen, wenigstens ansatzhaft, und Freundschaft setzen, wo zuvor Feindschaft stand. Wollte sie die Verbrecher reinwaschen oder Verbrechen vergessen machen? Keineswegs.
Wiedergutmachung und Solidargemeinschaft
Es gibt eine große Bereitschaft zur stellvertretenden Wiedergutmachung bei vielen Menschen und in vielen oder vielleicht allen Bereichen des Lebens, auch Fauna und Flora gegenüber. Immer zahlen andere Schuld ab, reparieren Schäden oder lindern die Auswirkungen von Verbrechen, die sie persönlich nicht verantworten müssen. Fast überall springen Versicherungen ein, wo ein Einzelner mit der Wiedergutmachung überfordert wäre und damit der Geschädigte auf seinen Kosten nicht sitzenbleiben muss.
Und da kommt nun der Einzelne ins Spiel, der seine Schuld nicht vollständig wiedergutmachen kann. Er darf auf eine Gemeinschaft bauen, die entschlossen ist, gegen alles Unrecht und alle Schuld das in die Waagschale zu werfen, was sie an Gutem in die Welt setzt. Wo ich mich selbst bei aller Reue und allen Versuchen wiedergutzumachen nicht entschulden kann, kann ich auf die anderen bauen. Wo auch die nicht mehr sind, die ich geschädigt habe und die mir die Wiedergutmachung erlassen könnten, darf ich hoffen, dass vielleicht andere für mich getan haben, was ich zu spät begonnen habe. Wo ich selbst durch Krankheit oder etwa auch durch Gefangenschaft nicht in der Lage bin wiedergutzumachen, darf ich bitten und glauben, dass ich in einer Gemeinschaft stehe, die manches von dem, was die von mir Geschädigten brauchen, schon tut und ihre Worte, Werke und die guten Folgen ihrer Werke auch die geschädigten Personen irgendwie erreichen.
Wiedergutmachung ist nicht unser Werk allein, nicht einmal zuerst und nicht zuletzt
Aber der Gedanke bliebe höchst spekulativ und vielleicht nicht frei von Selbstüberschätzung oder Selbstgerechtigkeit, wenn in der Mitte seiner Begründung nicht Christus selbst stünde und sein ganzes Leben, Heilen und Sterben für uns. Die durch ihn vom Vater erwirkte Auferstehung ist Kern aller Heilung und Zielort für alle, denen das Leben übel mitspielte. Sie ist der Endpunkt aller Heilung und Wiedergutmachung. Sie ist der Kern aller Rechtfertigung und alles Wiedergutwerdens. Mit seinem Leben und Richten (= Reparieren, Heilen, Aufrichten) steht das von ihm ausgelöste und so gesehen auch durch ihn einmal endgültig bewirkte Gutwerden so unzähliger Leben. Meine versuchte Wiedergutmachung ist darin eingeschlossen, die vielleicht aus den Gründen, die ich gezeigt habe, unfreiwillig unvollständig geblieben ist. Seine wird es nicht bleiben. Er hat mehr als genug zu geben.
III. Pilger der Hoffnung
Vom Unterwegsbleiben
Was dem Heiligen Jahr Gepräge gibt, ist die Wallfahrt. Eigentlich nach Rom. Anders herum gelesen heißt das: nicht unbedingt nach Rom. Das Ziel solcher Wallfahrt wäre es, ganz bewusst einen neuen Weg zu gehen und zurückzulassen, was Schaden angerichtet hat. Es ist der Gedanke, dass man da, wo etwas eine Kerbe ins Leben geschlagen hat und Narben hinterlassen hat, nun eine neue Spur legen will. Das verleiblicht sich in der Wallfahrt.
Von besonderen Orten und Wegen
Die Wallfahrt ist ja in sich schon Ausdruck, dass wir nicht schon am Ziel sind, sondern unterwegs, dass unser Gutsein und Menschsein kein Zustand ist, sondern ein Werden. Wo wir das beherzigen, wissen wir: Wallfahrt ist nicht nur eine Bewegung der Füße, viel mehr noch eine des Herzens. Man kann aus Dankbarkeit gehen oder um nachzudenken. Man kann gehen, weil Schuld quält oder um etwas gutzumachen – wie im Film The Mission mit Robert De Niro – und darüber nachzudenken wie. In diese Gemeinschaft von Menschen, die sich in die Hoffnung auf das Gutwerden aller Dinge stellen und die auf das größere Wirken Gottes bauen, begebe ich mich bei einer Wallfahrt. Das ist Sinnbild des neuen Weges und der Gemeinschaft. Denn auch wer alleine geht, kommt nicht alleine an. Am Zielort stelle ich mich mit dem Sprechen des Glaubensbekenntnisses, des Vaterunsers und dem Empfang der Eucharistie oder dem Besuch eines anderen Gottesdienstes in die Gemeinschaft mit Christus, nachdem ich zuvor, wenn nicht schon geschehen, meine Reue über manches, das mir »an den Füßen klebt«, bekenne. Ich stehe dann in der Gemeinschaft desjenigen, der – mit denen der Jünger – auch meine Füße gewaschen hat und sie auf einen neuen Weg stellt. Ich stehe in der Gemeinschaft derer, die Sünder sind und doch den Guten und das Gute suchen.
Sich selbst einen Nachlass zuzusprechen, wirkt immer etwas fade. Kann man sich selbst eine Wiedergutmachung erlassen? Das kann doch eigentlich nur, wer in die Bresche springt und für mich tut, was ich nicht vollständig tun kann. Da ein solcher Erlass an die Gemeinschaft mit Christus und der Kirche gebunden ist, nennt die Kirche bestimmte Orte und Bedingungen, an und zu denen er zu erreichen ist. Den Kranken und Gefangenen, die diese Orte der Wallfahrt nicht erreichen können, kommt sie entgegen. Sie können gedanklich an diese Orte pilgern.
Einer geht für den anderen
Wenn ich entschlossen versucht habe, alles in meiner Macht Stehende zu tun, um wiedergutzumachen, was mich reut, darf ich mich in Christi Gemeinschaft wiederfinden. Er steht für uns ein. Wir stehen füreinander ein. In einer solchen Gemeinschaft liegt auch der Gedanke der Stellvertretung nah. Hier wird auch Verantwortung empfunden für etwas, was Verstorbene getan haben. Man kann nicht ihre Sünden beichten, aber man kann den Schaden, den ihr Leben angerichtet haben sollte, wiedergutzumachen versuchen. Man kann um Nachlass für fremde Schuld bitten und sich darum sorgen. Sogar das. Mit dem Gebet für Verstorbene verbindet sich darum gar nicht so selten der Gedanke, wie denn ihre Schuld (im Sinne des Schadens an Dritten) wiedergutzumachen ist. Hier bietet sich stellvertretend der Betende an, der sich für die Verstorbenen in die Verantwortungsgemeinschaft aller Glaubenden stellt. Er bittet dann nicht für sich, sondern für sie um Erlass der unvollendeten Wiedergutmachung. Muss man extra sagen, dass solch ehrliches Beten jene Verantwortung mobilisiert, den erkannten und von den Vorfahren ererbten Schaden auch irgendwie wiedergutzumachen, sofern es möglich und zumutbar ist? Siehe Aktion Sühnezeichen.
Und das hat mit dem Ablass nichts zu tun
Wer nun meint, man könne sich solche Dinge wie Freibriefe günstig kaufen (nur ein wenig Beten), oder an Wiedergutmachung sparen, was man selbst tun kann und soll, der hat nichts verstanden. Wer gar meint, man könne mit einer solchen Absicherung munter drauflossündigen und weiter schädigen, der hat das Wesen dieser Gemeinschaft nicht verstanden, aber schon gar nicht den, der überhaupt etwas erlassen kann und darf.
Darum aber geht es
Wir glauben Christus und glauben dem, was er für alle getan hat, und hoffen auf die Gemeinschaft der Gläubigen als Gemeinschaft der Heilung aller Wunden, die Zeit und Geschichte schlagen, in der Einer für alle da ist und alle für Einen. Und wir sprechen uns nicht selber los.
Ablass ist kein Wort des Evangeliums. Es kommt aber aus seinem Geist. Ohne Zweifel suchte Jesu Güte alle und war sein Leben auf Heilung aus, auf Vergebung und Tilgung von Schuld. Ohne Zweifel war sein Leben und Sterben etwas, was stellvertretend geschah und Versöhnung bewirken wollte.
Wenn wir als Kinder weinten und untröstlich waren, wenn wir hingefallen waren und bluteten, nahm uns die Mutter in die Arme und sagte: Es wird alles wieder gut! Wir müssen dieses Wort nur groß genug verstehen. Es wird alles, was jetzt im Argen liegt, einmal wieder gut. Und an vielem können wir jetzt schon mitwirken. Reue, Wiedergutmachung und das Wissen, dass es auch darin einmal ein Genug geben darf, hat mit dem viel größeren Gutsein zu tun, in das – das ist unsere Hoffnung – Gott uns gestellt hat mit der Auferweckung seines Sohnes und der Sendung seines Geistes. Einmal wird alles gut. Und es hat längst begonnen!
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Thomas Hürten |
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