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Die Schriftleitung
Leseprobe 2
Christkönigssonntag – 23. November 2008
I. Der Richter der Lebenden und der Toten (Mt 25,31–46)

Zielsatz: Das Weltgericht als Heilsgeschehen und als Aufruf zu entschiedener christlicher Praxis soll den Hörerinnen und Hörern erschlossen werden.


Der Weltenkönig als Weltenrichter
Könige hatten in den alten Völkern vor allem zwei soziale Funktionen. Zum einen hatten sie das Gemeinwesen vor Feinden von außen zu schützen. Zum anderen waren sie im Inneren für das Recht verantwortlich. Sie erließen dazu Gesetze, und sie hielten Gericht. Am Christkönigssonntag unseres Lesejahres stellt uns der Evangelist Matthäus Christus als Weltenrichter dar. Er ist König nicht nur eines begrenzten Territoriums. Er schafft allen umfassend Recht durch sein Gericht. Das Gericht ist dabei als positives Geschehen zu verstehen. Unrecht wird in ihm überwunden und das Recht wird durchgesetzt. Ein Gemein-wesen, in dem das nicht geschieht, ist krank. Das Gericht hat eine -heilende Bedeutung. Zur endgültigen Heilung unserer Welt gehört das alle umfassende Weltgericht. Es geht auf unserer Welt nicht alles gerecht zu. Nicht einmal in den Staaten, die als Rechtsstaaten verfasst sind. Auch die besten menschlichen Gerichte können nicht alles Unrecht aus der Welt schaffen und damit heile Verhältnisse aufrichten.
Das Bild vom Weltgericht ist ein Hoffnungsbild. Es soll uns hoffen lassen, dass es eine letzte Gerechtigkeit gibt, durch die die Welt endgültig geheilt wird. Das Gericht, in dem das geschieht, ist dem übergeben, der Opfer menschlicher Ungerechtigkeit und Willkür wurde. Wegen der Liebe, die er darin lebte, ist er zum Richter der Lebenden und der Toten eingesetzt. Das Unrecht, dem so viele in der Geschichte der Menschheit zum Opfer fallen, soll an seiner Liebe scheitern.

Die sogenannte Goldene Regel als Grundgesetz
Die Rechtsprechung richtet nach Gesetzen, in denen das gute Miteinander der Menschen geregelt wird. Die einzelnen Gesetze werden dabei auch bei uns von einem Grundgesetz getragen, also durch eine Grundüberzeugung, was den Umgang von Menschen mit Menschen bestimmen soll. In biblischer Tradition ist dies das Doppelgebot der Liebe zu Gott und zum Nächsten. Die Nächstenliebe wurde in der sogenannten Goldenen Regel etwas näher ausgestaltet: »Alles, was ihr von anderen erwartet, das tut auch ihnen! Darin besteht das Gesetz und die Propheten« (Mt 7,12). Nach dieser Regel stehen Menschen, stehen wir im Gericht vor der Frage, ob wir die Ehrfurcht und Anerkennung, die wir von anderen erwarten, auch unsererseits ihnen erweisen. Ob wir die Hilfe und Zuwendung, die wir von anderen erwarten, auch unsererseits ihnen zukommen lassen. Ob wir die Gerechtigkeit und Barmherzigkeit, die wir von anderen erwarten, auch unsererseits an anderen praktizieren. Dass die Welt und wir in ihr an diesen Fragen gerichtet werden, ist unmittelbar einsichtig, wenn man der sogenannten Goldenen Regel als dem Grundgesetz menschlichen Miteinander zustimmt. Und das geschieht nicht nur in biblischer Überlieferung. Die Goldene Regel gilt in vielen menschlichen Kulturen.

Die Identifikation des Richters mit den Menschen in Not
Im Bild vom Weltgericht, wie es das Matthäusevangelium überliefert, wird auf ganz eigene Weise nach der Goldenen Regel gerichtet. Die Goldene Regel sagt, dass ich den anderen Menschen als einen Menschen sehen und behandeln soll, der ist wie ich. Dass ich dabei besonders von den Menschen herausgefordert werde, die in Not sind und meine Hilfe brauchen, ist unmittelbar klar. Die Goldene Regel lebt von der fundamentalen Anerkennung der Gleichheit der Menschen in ihrer Würde und in ihrem Lebensverlangen. Das Überraschende im Bild vom Weltgericht ist, dass der andere Mensch mich in die Verantwortung ruft nicht nur, weil er Mensch ist wie ich, sondern weil mir in ihm Jesus Christus begegnet. Im Verhalten gegenüber Menschen in Not verhalte ich mich gegenüber dem Weltenrichter selbst. In dem, was ich Menschen in Not gebe oder verweigere, gebe oder verweigere ich Gott die Antwort auf seine Liebe. Im christlichen Bild vom Weltgericht ist Das Einzigartige, das in keiner anderen Kultur zu finden ist, die Identifikation des Richters mit Menschen in ihren Nöten. So fallen Gottesliebe und Nächstenliebe zusammen; denn Gott wird geliebt, wo Menschen den Nächsten in Not lieben, wie Gott es will. Das Unheil der Welt besteht nicht nur darin, dass Menschen in Not leben, ohne Nahrung und Kleidung, krank und unterdrückt, verfolgt und gefoltert. Noch schlimmer ist das Unheil, dass Menschen in Not nicht von anderen beachtet werden und ohne Hilfe bleiben. Das verlangt nach einem Recht schaffenden Gericht. Nach einem Gericht, in dem Gott sich endgültig zur Geltung bringt und heilend wirksam wird.

Eine heilsame Konkurrenz der Religionen
In unserer Zeit hat ein neues Gespräch zwischen den Religionen angefangen. In ihm ist strittig, ob und wie die Religionen einander als Wege zum Heil anerkennen können – als zwar unterschiedliche Wege, aber doch als Wege, die zu einem letzten Gelingen der Menschen beitragen. Der Menschensohn im Bild vom Weltgericht, fragt nicht nach Religion oder Konfession. Er urteilt nicht nach Orthodoxie oder Ideologie. Alles hängt vielmehr an der Praxis. Damit wird nicht gleichgültig, welche Religion Menschen haben und wie sie es mit der Rechtgläubigkeit halten. Wohl müssen sich die Religionen und die Orthodoxen fragen lassen, zu welcher Praxis sie anstiften. Unsere Welt kann eine intensive Konkurrenz der Religionen vertragen in der Frage, wie in ihnen Menschen geöffnet werden für den Menschen in Not. Wie in ihnen z. B. auf Gewalt verzichtet wird, weil jede Gewalt von Menschen an Menschen Leid verursacht. Die Christen haben einen einzigartigen Beweggrund, sich menschlicher Not zuzuwenden. Sie begegnen in Menschen in Not dem, der sich für sie hingab und dem sie nicht weniger als ihr Leben und darin ihre Liebe schulden. Eine davon inspirierte Praxis haben sie in die Konkurrenz der Religionen einzubringen.

Barmherzigkeit triumphiert über das Gericht
Die eindeutige Scheidung im Bild vom Weltgericht ist keine Information über Zukünftiges, sondern ein Aufruf zu entschiedener christlicher Praxis heute. Weil wir noch nicht endgültig geheilte Menschen sind, werden wir uns nicht immer dem Herrn in den Notdürftigen öffnen, sondern seinen Ruf auch nicht hören oder uns ihm verschließen. In sein ewiges Leben muss uns letztlich Gottes Barmherzigkeit einlassen. In der Zeit empfangen wir in unserer Feier immer neu den Geist der Liebe Jesu, die uns zu den Diensten unserer Liebe bewegen und stärken will.

Dieter Emeis

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